Woche 6

„Vertrauen ist das Schlüsselwort. >Vertrauen, dieses schwerste ABC<. Buchstabiert es täglich neu. (…)
Ich plädiere hier für eine bescheidene, ungeschützte Art von Emanzipation: ohne Rückzugslinien.
Als einziges Credo die menschliche Solidarität. Niemand im Stich lassen, der Euch vertraut (…) ohne Öffentlichkeit und ohne Lohn.
Das Wunder, das konkrete, kleine Wunder, wartet immer um die nächste Ecke für den, der es wahrnehmen mag.“
(Hilde Domin, 1982)
 
Hilde Domin spricht hier zugleich vom Vertrauen-Schenken und Vertrauen-Können – und dem „Wunder“-Geschenk, das aus beiden resultieren kann. Besonders vor dem Hintergrund ihrer eigenen biografischen Erfahrungen lesen sich diese Sätze als starke Aussage. Doch Domin sagte, sie sei ein „Dennoch-Mensch“: Sie habe es schwer gehabt, aber sie wolle „das im Leben, was ich lieben kann, dennoch lieb haben.“
 
Unter anderem aus dieser Haltung resultieren wohl die Kraft, Dichte und Intensität ihrer Sätze und Gedichte. Noch heute – oder eventuell sogar besonders heute, in der aktuellen Situation – können sie gleichwohl zum „An-Andere“-Denken anregen und zum Mut-Schöpfen einladen. Und vielleicht ja so auch das eine oder andere kleine Alltags-Wunder in unseren Zeit entstehen lassen…
 
Dieser Impuls wurde von Dr. Hannah Schepers vorbereitet. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Hildegardis-Vereins und arbeitet als Referentin im Bundeskanzleramt in Berlin.