"handicap to go"

Inklusion selbst machen

Die Herausforderungen eines Lebens mit Beeinträchtigungen standen im Mittelpunkt des Aktionstages „Handicap to go“, den der Hildegardis-Verein in der vergangenen Woche in Bonn organisierte. Menschen mit und ohne Behinderung erlebten in Workshops und einer anschließenden Diskussionsrunde gemeinsam, wie inklusives Leben funktionieren kann und an welchen Stellen Handlungsbedarf besteht.

Der Aktionstag war ein Beitrag zum Themenjahr 2013 „Selbstbestimmt dabei. Immer“, das von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) und dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen ausgerufen wurde. Der Hildegardis-Verein war einer von 16 Trägern, die für eine Teilnahme an der Aktionswoche des Themenjahres ausgewählt wurden. Vom 1. bis 7. September fanden deutschlandweit Veranstaltungen statt, die einen Beitrag gegen die Diskriminierung behinderter und chronisch kranker Menschen leisten wollen.

Vieles wird zur Herausforderung...

Im Rahmen des Aktionstages stellte der Hildegardis-Verein bewusst praktische Erfahrungserlebnisse in den Mittelpunkt. Dazu probierten die rund dreißig Teilnehmer/Innen in verschiedenen Workshops aus, wie Hör-, Seh-, und Geheingeschränkte die Welt wahrnehmen. Zusammen mit einer Person, die selbst von der jeweiligen Einschränkung betroffen ist, erkundeten sie die Bonner Innenstadt und die Universität im Rollstuhl, mit verbundenen Augen oder „sprachlos“, also ohne verbale Kommunikation. Das Erleben einer bekannten Umgebung unter neuen Bedingungen beeindruckte die Teilnehmenden:  "Beim Aktionstag habe ich erfahren, was es im Alltag bedeutet, auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein. Vieles wird dabei zu einer Herausforderung: Unterschiedliche Bodenbeläge, Bordsteinkanten, Rollbänder, die unterschiedliche Sichtperspektive", so das Fazit von Teilnehmerin Silvia Fullenkamp, UN Women Nationales Komitee Deutschland e.V.
 

Darüber sprechen ist wichtig

Ihre Erfahrungen reflektierten die 30 Teilnehmenden im Anschluss gemeinsam mit Fachreferent/Innen, die sich beruflich mit Inklusion im Bildungswesen befassen. Sowohl die Praxisberichte der Expert/Innen als auch die persönlichen Erfahrungen der Teilnehmer/Innen machten deutlich, dass die Themen Einschränkung und Behinderung oft noch immer gesellschaftliche Tabus darstellen. "Ich hatte den Eindruck, als wollten die Leute, an denen wir im Rolli vorbei fuhren, uns lieber nicht wahrnehmen", so Bettina Franzke, Professorin für Psychologie mit dem Schwerpunkt Beratung an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit in Mannheim. "Sie wandten häufig den Blick ab und traten zur Seite."

Tatsächlich äußern Betroffene ihre besonderen Bedürfnisse zu wenig, nicht zuletzt aus einer Sorge heraus, als schwach und weniger kompetent wahrgenommen zu werden. Hiermit lässt sich vermutlich auch manche Zurückhaltung erklären, Angebote zur Förderung wahrzunehmen.

Der Hildegardis-Verein zielte mit seinem Aktionstag darauf ab, Hemmschwellen zu überwinden und zu einem selbstverständlichen Umgang und wechselseitiger Anerkennung im Alltag zu ermutigen. Die Kombination aus eigenen individuellen Praxiserfahrungen und theoretischem Experteninput führte bei dem Aktionstag zu einem tieferen Verständnis für die verschiedenen Facetten, die das Thema Inklusion mit sich bringt: "Die Veranstaltung trägt aus meiner Ansicht sehr dazu bei, innere Barrieren gegenüber Menschen mit Behinderung abzubauen," urteilt so Silvia Fullenkamp. "Ich würde sehr empfehlen, einen solch integrativen Ansatz auch zukünftig einem noch breiteren Publikum zugänglich zu machen."

Wenn Sie sich einen Eindruck über den Aktionstag verschaffen wollen, schauen Sie sich den Kurzbeitrag an, den das Erzbistum Kölns über "handicap to go" produziert hat.

Hier können Sie den "handicap to go"-Flyer herunter laden.