2012

Abschlusskongress des Mentoring-Projekts

„Verrückte Perspektiven – Mentoring-Programm hat neue Wege der Inklusion eröffnet“

Berlin 10. September 2012. Mit einem großen Kongress beging der Hildegardis-Verein e.V. am 7./8. September 2012 in Berlin den Abschluss des bundesweit ersten Mentoring-Programms für Studentinnen mit Behinderung und chronischer Erkrankung.  Fünf Jahre nach dem Auftakt des von der Conterganstiftung geförderten Projekts kamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf der zweitägigen Veranstaltung mit Gästen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zusammen, um Kontakte zu knüpfen und Erfahrungen auszutauschen.

Besonders große Aufmerksamkeit fanden die druckfrischen Exemplare der Projektdokumentation: Auf knapp 120 Seiten bietet die Broschüre Rückblick und Erfahrungssammlung, Methodenleitfaden und Werkzeugkasten für alle, die dem Vorbild des Hildegardis-Vereins folgend eigene Mentoring-Programme für Studierende mit Beeinträchtigung durchführen wollen. „Als wir vor fünf Jahren unser Programm gestartet haben, schien es ein wenig verrückt. Heute wissen wir: Es ist gelungen, Perspektiven zu verrücken, Vorstellungen von Normalität und Vielfalt in Frage zu stellen und jungen Frauen mit Beeinträchtigung ganz konkret Unterstützung anzubieten auf ihrem Berufsweg als Akademikerin,“ betonte Professorin Gisela Muschiol, Vorsitzende des Hildegardis-Vereins.

„Das Mentoring-Programm hat gezeigt, wie wichtig es ist, den Blick auf die zielgerichtete, persönliche Förderung von Studentinnen mit Behinderung zu lenken und sie in ihren Stärken konsequent zu unterstützen“, so Muschiol. „Die große Resonanz auf das Programm und auf diese Tagung ist für uns ein Beleg dafür, dass wir mit unserer Arbeit eine Lücke in der Bildungslandschaft geschlossen haben. Deshalb freuen wir uns auch ganz besonders, wenn unser Projekt Schule macht und viele Nachahmer findet.“

Für die Conterganstiftung, die das Projekt großzügig gefördert hatte, überbrachte die Vorsitzende Antje Blumenthal persönlich Glückwünsche. Blumenthal hob hervor, die enge Zusammenarbeit zwischen der Studentin und einem erfahrenen Mentor habe den jungen Frauen Türen geöffnet und zugleich die Mentoren in ihrer Entwicklung gefördert. Als Mentoren und Mentorinnen hatte der Hildegardis-Verein auch Akademiker mit Conterganschädigung gewinnen können.

Dr. Stefan Breuer, ehemaliges Mitglied des Vorstandes der Conterganstiftung und Direktor der KfW richtete den Blick in die Zukunft: Die nun vorliegenden Erfahrungen müssten an vielen Stellen  als Initialzündung wirken: Gute Leute würden in Unternehmen händeringend gesucht. Das Potenzial junger Akademiker mit Behinderung sei in der Vergangenheit viel zu oft übersehen worden.

Der abschließende „Staffellauf“ machte sichtbar, an wie vielen Stellen die Initialzündung bereits gefunkt hat:  Julia Günther (Technische Hochschule Mittelhessen, Gießen), Reiner Spring (Leiter der Bezirksgruppe Thüringen des deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf, DVBS), und Daria Celle-Küchenmeister (Beauftragte für Behinderung im Studium an der Universität Duisburg-Essen) berichteten, wie sie die Erfahrungen, die sie als Mentoren des Hildegardis-Programms gemacht haben, in Projekten für ihre Zielgruppen umsetzen wollen. Die latente Doppeldiskriminierung von Studentinnen mit Behinderung wollen alle drei gezielt in ihren Programmen berücksichtigen.

Dr. Christiane Schindler, Leiterin der Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung des Deutschen Studentenwerks (DWS), unterstrich die Notwendigkeit der gezielten Förderung von Studentinnen mit Behinderung durch die Ergebnisse der aktuellen DSW-Studie „beeinträchtigt studieren“ Torsten Prenner von der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit  ließ erkennen, dass das Promotionsprojekt für behinderte Jungakademiker/innen, das in den kommenden Jahren an mehreren deutschen Hochschulen in Zusammenarbeit mit der ZAV umgesetzt wird, von den Erfahrungen des Hildegardis-Programms profitieren wird. Der Vorsitzende des UnternehmensForum und Vertreter des Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim, Olaf Guttzeit, hob hervor, dass Mentoring-Programme wie das des Hildegardis-Vereins „Unterstützung auf breiter Ebene“ verdienten, da sie behinderten Jungakademikerinnen das nötige Selbstbewusstsein vermittelten, um bei Bewerbungsgesprächen erfolgreich mit potenziellen Arbeitgebern zu sprechen.

Dr. Susanna Schmidt, Leiterin der Grundsatzabteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), betonte, das Mentoring-Programm mache den Universitäten deutlich, dass es auf Vielfalt ankommt, „auf jeden Einzelnen“. Ziel müsse es sein, „Inklusionspartnerschaft in Studium und Beruf“ zu gestalten und das gemeinsame Lernen von Menschen mit und ohne Behinderung umfassend zu erleichtern.

„Der Hildegardis-Verein bleibt an diesen Themen dran!“ - mit dieser Zusage schloss Eva M. Welskop-Deffaa, Ministerialdirektorin a.D. und im Vorstand des Vereins verantwortlich für das Mentoring-Projekt: „Mentoring-Programme sind ein wertvolles Instrument, das umfassend einsetzbar ist, um in einer Gesellschaft des langen Lebens zur eigenen Lebensgestaltung zu befähigen.“ Die Projektdokumentation sei „eine Einladung zur Zusammenarbeit“ an alle, die sich mit dem Verein für eine inklusive Hochschule und Gesellschaft einsetzen wollen.